Freundschaftswanderung mit „Hahn und Henne“
Was sich nach dem Ausflugsmotto eines Geflügelzuchtvereins anhört, ist in Wirklichkeit ein anspruchsvolles Wanderprogramm im Mittleren Schwarzwald. In diesem Jahr war der Partnerschaftsverein Geisenheim e.V. an der Reihe, die internationale Wanderwoche mit Teilnehmern aus den Partnerstädten Chauvigny und Trino sowie FreundInnen aus Billericay in Großbritannien auszurichten. 48 Teilnehmer folgten in der letzten Augustwoche der Einladung nach Zell am Harmersbach, ca. 30km von Offenburg entfernt.
Die Institution der Freundschaftswanderung der Partnerstädte erlebte in diesem Jahr ihre 35. Auflage. Sie ist eine Mischung aus Wanderungen, lokal-kultureller Erkundung und interkulturellem Erlebnis. Schnell wurde den Teilnehmern klar, was es mit „Hahn & Henne“ auf sich hat: sie stellen das Markenzeichen der ehemaligen Porzellanindustrie in Zell am Harmersbach dar. Beim Stadtrundgang durch Zell kam zur Überraschung der französischen Teilnehmer heraus, dass das Kaolin für die Porzellanherstellung aus Limoges/Frankreich kam – dieselbe Quelle wie bei der ehemaligen Porzellanfabrik in Chauvigny.
Der sog. „größte Sohn der Stadt“ Zell war ein Sozialpolitiker aus der ersten Hälfte des 19. Jahrhunderts. Lange vor der Bismarck’schen Einführung der Sozialversicherung trat Franz Josef Ritter von Bußals frisch gebackener Abgeordneter des Badischen Landtags im Jahr 1837 mit der Forderung nach einer Sozialversicherung auf. Die Fortschrittlichkeit der politischen Bewegung in Baden begegnete allen Teilnehmern der Wanderwoche auch bei einer Stadtbegehung in Offenburg: beim Besuch des „Salmen“. Dieses Museum steht auf dem Grundstück der ehemaligen Synagoge und schlägt den Bogen des politischen Freiheitsgedankens von der ersten schriftlichen Formulierung der Menschenrechte auf deutschem Boden im Jahr 1847 in Offenburg über die häufig tödlichen Einschränkungen der Freiheiten zwischen 1933 und 1945 bis zur aktuellen deutschen Verfassung und der Wiedervereinigung. Alle Teilnehmer waren tief beeindruckt von dem Film des Museums, der diese Stationen der Geschichte nachzeichnete.
Gewandert wurde natürlich auch: in zwei Gruppen wurde der Mittlere Schwarzwald erkundet. Die Wanderungen waren nach Schwierigkeitsgraden (Wanderstrecke und Höhenmeter) auf die Gruppen verteilt und wurden von kundigen örtlichen Wanderführern geleitet. So bewältigte alleine die starke Gruppe 1 mit den vier Wanderungen über 60 km und 1.750 Höhenmeter. Das sommerliche Wetter steuerte beste Voraussetzungen für herrliche Ausblicke über die Landschaft bei, die bis zu den 70 km entfernten Vogesen reichten. Die internationalen Gäste schwärmten danach von „kathedralen-gleichen Wäldern“ angesichts der majestätisch hohen Tannen. Bei einem Besuch des Freilichtmuseums„Vogtsbauernhöfe“ bekamen die Teilnehmer einen Einblick in die landwirtschaftlich und handwerklich geprägte Lebenswelt im Schwarzwald im Laufe der letzten 250 Jahre.
Bei dem Blick von Bergen auf die Ortschaften und auf benachbarte Gipfel bemerkten vor allem die internationalen Teilnehmer die Veränderungen in der Energiegewinnung in Deutschland und machte sie neugierig auf die begleitenden gesetzlichen Regelungen und die aktuellen innenpolitischen Diskussionen darüber. Auch die Möglichkeit, im Rahmen dieser Woche fast ausschließlich mit modernen öffentlichen Verkehrsmitteln unterwegs zu sein, stieß auf positive Resonanz. Vor allem auch, dass diese Züge kostenfrei genutzt werden konnten dank der vom Hotel Klosterbräustuben ausgegebenen Gästekarten.
In Anbetracht der erlebnisreichen Woche versprachen viele Teilnehmer zu Wiederholungstätern zu werden, wenn es im nächsten Jahr vom 23.-30. August 2025 nach Le Croisic in der Bretagne gehen wird.